In wenigen Jahren werde ich 50. Dann habe ich die Grenze der 40er hinter mir gelassen und gehöre unwiderruflich zu den 50ern.
Macht mir dieser Gedanke Angst? Nein.
Freu ich mich darauf? Auch nicht.
Ich weiss ja nicht wie es ist 50 zu sein. Dazu fehlt mir schlicht die Erfahrung. Meine einzige Annahme zu dieser Altersgruppe ist: Menschen in den 50gern sind definitiv erwachsen.
Allerdings dachte ich das auch schon von den 40-jährigen. Als ich dann selber 30 wurde, merkte ich, dass ich mich immer noch nicht „Erwachsen“ fühlte. Nun ist meine Vermutung, dass dies mit 40 genauso sein wird und sich gar nicht so viel ändert.
Wann ist man eigentlich erwachsen?
Was heisst dies eigentlich, sich erwachsen zu fühlen? Und ist dies ein erstrebenswerter Zustand? Ja und Nein fällt mir dazu ein.
Jung zu sein vergleiche ich mit dem unbedarften Teenager in mir, der auch mal etwas Verrücktes tut, ohne über die möglichen Folgen nachzudenken. Das hat etwas Wunderbares, dass kein Mensch verlieren sollte. Dennoch ist es wichtig, diesem jungen Rebellen nicht die alleinige Macht zu überlassen. Dann ist derjenige, der anderen für sein Leid verantwortlich macht und dabei ständig nach dem grössten Tortenstück schreit.
Wer immer seinen Trieben und aktuellen Bedürfnissen nachgeht, wird von einer Seite zur anderen geschleudert. Das gleicht einem kleinen Boot auf dem Meer, das sich vom aktuellen Wind treiben lässt. So kann man seine Lebensziele nicht erreichen. Dazu brauchte es noch eine andere Qualität.
Die Erwachsene in mir
Um Lebensziele und Herzenswünsche zu erreichen, braucht es eine vernünftigere Kraft in uns und das ist der Erwachsene. Er nimmt das Leben ernst, ist zielstrebig, lenkt seine Energien und dadurch erreicht er viel. Im optimalen Fall erfüllt er sich dadurch seine Herzenswünsche und entfaltet seine Seele.
Im schlechtesten Fall rennt der seriöse Erwachsene Scheinwünsche nach: Er erklimmt mit hohem Aufwand die Karriereleiter, bleibt in der Vernunft-Beziehung stecken und belächelt querdenkende Freigeister. Seine Ziele sind meist kurzsichtig, angepasst an die Gesellschaft und er übersieht die freudigen Dinge im Leben. Ist das wirklich erwachsen, wenn ich meine rebellische Seite unterdrücke? Ich denke nicht.
Ein Plädoyer für die innere Reife
Was macht es denn aus, ob ich mich mit meinem aktuellen Alter wohlfühle oder nicht? Es ist die innere Reife. Ein frustrierter 80-Jähriger, der über alles und jeden schimpft ist in meinen Augen genauso unreif, wie eine 60-Jährige die glaubt, sie müsse immer noch wie 20ig aussehen.
Reife kommt von Reifen und wer gereift ist, hat gelebt. Er ist eingetaucht in das Leben, hat Erfahrungen gemacht und daraus ein tieferes Verständnis für die Welt entwickelt. Reife Menschen sind nicht verbittert, sie geben nicht anderen die Schuld für das, was sich ihn ihrem Leben zeigt.
Sie haben auch eine natürliche Gelassenheit, welche dem Leben mehr Qualität gibt. Wenn man Menschen fragt, was sie in ihrem Leben bereut haben, so war das in den meisten Fällen, dass sie bestimmte Dinge nicht getan haben.
Das heisst, sie haben in den entscheidenden Situationen nicht auf ihre rebellische Seite gehört, sondern sich für die Vernunft entschieden. Deshalb konnten sie gewisse wichtige Erfahrungen nicht machen und nicht daran reifen. Wer hingehen nur in den Tag hinein gelebt hat und später über diejenigen meckert, die sich ein schönes Leben aufgebaut haben, ist ebenfalls unreif.
Älter oder reifer?
Wer also zu sehr nach seiner kindlichen Seite lebt oder nur noch der vernünftige Erwachsene ist, der wird nur älter und nicht reifer. Um die innere Reife zu erlangen, muss ich einen guten Draht zu meiner rebellischen Seite pflegen und andererseits die Verantwortung für meine gemachten Erfahrungen übernehmen.
Der Schlüssel heisst: „Sowohl als auch“. Es ist wichtig immer wieder zu überprüfen, wo man gerade steht. Bin ich zu streng mit mir? Oder lass ich die Zügel zu locker? Dies sind zwei Fragen, die man sich das ganze Leben hinweg immer wieder stellen sollte.
Wer die Balance halten kann, der sieht dem Älterwerden gelassen entgegen und bleibt so ewig jung.